"In der Woche, in der CDU/CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag veröffentlicht haben, schaute die maritime Branche zunächst nach Berlin – und am Ende der Woche nach London. An beiden Orten wurde verhandelt und schließlich entschieden. Die Ergebnisse können teilweise weitreichende Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Branche haben.
Zunächst der Blick nach Berlin: So ist es positiv, dass die zukünftige Bundesregierung mit einem eigenen Abschnitt zur maritimen Wirtschaft die strategische Bedeutung des Sektors anerkennt, und zwar nicht für die Logistik, sondern auch für energiepolitische und militärische Herausforderungen. Es werden eine Reihe von wichtigen Vorhaben genannt, so die Umsetzung der Nationalen Hafenstrategie, die Weiterentwicklung des maritimen Forschungsprogramms für den Schiffbau und die Einführung einer einheitlichen Tonnagesteuer für die Hochseeschifffahrt in der EU. Dies sind Vorhaben, die die Branche seit langem fordert und die nun zeitnah umgesetzt werden sollten.
Gleichzeit ist eines der Hauptthemen des Koalitionsvertrages – die Entlastung der Wirtschaft und die Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit – von großer Bedeutung für eine Branche, die aufgrund ihrer globalen Aktivitäten internationale Entwicklungen in Zeiten geostrategischer Unsicherheit frühzeitig und unmittelbar zu spüren bekommt. Somit ist es ausdrücklich auch aus Sicht der maritimen Branche und der Hafenwirtschaft zu begrüßen, wenn Bürokratie und Steuerlast abgebaut, Investitionsspielräume erweitert und Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.
Dass die Schifffahrt – gemeinsam mit den anderen Verkehrsträgern – nun auch wieder durch ein ausschließliches Bundesverkehrsministerium vertreten sein wird, ist ebenfalls eine positive Entwicklung – dazu gehört dann aber auch weiterhin ein Maritimer Koordinator, der sich innerhalb der Bundesregierung ressortübergreifend für die Branche und ihre Infrastruktur einsetzt und somit sicherstellt, dass die maritime Branche bei wichtigen Reform- und Finanzierungsvorhaben angemessen berücksichtig wird.
Somit enthält der Koalitionsvertrag wichtige wirtschaftspolitische Anknüpfungspunkte für die maritime Branche, um gemeinsam mit der zukünftigen Bundesregierung an der zeitnahen Umsetzung zu arbeiten und die Branche kurzfristig zu stärken.
Was die zukünftigen Koalitionspartner allerdings mehr hätten berücksichtigen sollen, sind die klimapolitischen Herausforderungen der Branche. Dies verwundert, bekennt sich der Koalitionsvertrag doch zur Klimaneutralität 2045, verweist dann aber nur auf die notwendige Transformation von Häfen und Wasserstraßen.
Dass dies nicht reicht, zeigt der Blick nach London. Der Koalitionsvertrag wurde in einer Woche veröffentlicht, in der das MEPC (Marine Environment Protection Committee) der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO laut NABU „ein geopolitisch wichtiges Zeichen für den internationalen Klimaschutz“ gegeben hat, und zwar mit der Entscheidung für die Einführung eines Emissionshandelssystem für CO2 und globalen Standards für Schiffskraftstoffe.
Angesichts der Bedeutung der Schifffahrt nicht für die Dekarbonisierung des Verkehrsträgers Schiff, sondern eben auch für globale Wertschöpfungsketten vieler Industriesektoren insgesamt, muss die Bundesregierung für eine zukunftsgerichtete Schifffahrts- und maritime Industriepolitik die Dekarbonisierungsanstrengungen der Branche stärker in den Blick nehmen. Zum Glück braucht sie nicht weit schauen oder lange suchen. Die vorherige Bunderegierung hat mit der Entwicklung eines „Nationalen Aktionsplans klimafreundliche Schifffahrt “ (NAPS) bereits einen Prozess angestoßen, der auf die Transformation der Schifffahrt abzielt. So liegt bereits ein mit der maritimen Branche abgestimmtes Maßnahmen-Portfolio auf dem Tisch, das u. a. darauf abzielt, alternative Antriebs- und Energiesysteme, die Versorgung mit klimafreundlichen Energieträgern, die Flottenmodernisierung, regulatorische Harmonisierung sowie grüne Schifffahrtskorridore vollumfänglich voranzutreiben. Dies sollte nun rasch von der neuen Bundesregierung vorangetrieben werden.
Insgesamt steht die Branche also vor vielfältigen Herausforderungen: Diese können nur gemeinsam mit der Branche angegangen werden, die dafür weiterhin als konstruktiver und lösungsorientierter Gesprächspartner bereitsteht."